"Ich bin stolz auf meine weiblichen Formen"
Weit entfernt von den Traummaßen 90-60-90
und dennoch auf dem Laufsteg erfolgreich
Von Hanna Haag
Jeder kennt sie, die schlanken Schönheiten der Modeszene. In sämtlichen Magazinen sind sie zahlreich vertreten und präsentieren mit ihren 100-Prozent-Körpern die neuen Kollektionen. Dabei müssen sie sich nicht selten in Kleider der Konfektionsgröße 34 hineinzwängen und auch -hungern. Eine tut das nicht: Tanja Bartsch (25), für die der "Catwalk" eine Selbstverständlichkeit ist - trotz molliger Figur.
Tanja Batsch beweist, dass auch beleibte
Körper ästhetisch sind: In der Modewelt mögen jene Traummaße
real sein, doch jenseits des Laufstegs sind sie eher selten. Nichts
desto trotz beharrt die Modebranche auf ihren 90-60-90-Körpern,
mit denen sie jungen Frauen ein Idealbild vorheuchelt. Denn ohne strenge
Diät und ein enormes Maß an Disziplin könnten auch die
Models diesem Ideal nicht entsprechen.
Tanja würde mit ihrem wohlgeformten Körper sicherlich nicht
in die Kategorie "Supermodel" passen. Trotzdem arbeitet die
25-Jährige seit über vier Jahren für eine Dessous-Firma
als Model. "Ulla" ist eines der Spezialgeschäfte das
Unterwäsche bis zur Körbchengröße 85 h führt.
Spaß bei der Arbeit
Tanja entschloss sich ganz spontan dazu,
ihre Modelkariere zu beginnen: "Bis vor zwei Jahren war ich noch
als Apothekerin tätig. Nachdem mich die Geschäftsführerin
1998 als Kundenberaterin und Model engagierte, musste ich in meinem
eigentlichen Beruf immer kürzer treten, bis ich ihn dann schließlich
ganz aufgab. Das Modeln macht einfach mehr Spaß, schon als kleines
Mädchen habe ich davon geträumt, auf dem Laufsteg zu stolzieren."
Inzwischen nimmt Tanja regelmäßig an Modeschauen in Berlin, Köln, Paris, Lyon und demnächst auch in Den-Haag teil. Mit der gesamten Kollektion in der Tasche reist sie von Ort zu Ort. "Ich habe allein eine Tasche nur mit Schuhen dabei, da kommt schon eine ganze Menge an Gepäck zusammen", ergänzt Tanja. Mit leuchtenden Augen erzählt sie von einem Aufenthalt in Berlin. "Der Tag begann sehr früh mit Augenbrauen zupfen, Beine rasieren, Fingernägel lackieren und natürlich schminken, denn man muss ja immer top aussehen. Danach ging es gleich an die Arbeit: Jede Stunde 20 Minuten Modeschau, dann 40 Minuten Pause und das von morgens bis abends. Als ich wieder ins Hotel kam, taten mir am meisten meine Beine weh, denn ich trage immer hohe Absätze, das lässt die Beine schlanker aussehen."
Sportlich, sportlich
Wer kann sich bei dieser Anstrengung noch
vorstellen, dass Tanja nebenbei die Würzburger Kickers betreut
und Süddeutsche Meisterin im Kajakfahren ist? Sport ist für
sie ganz wichtig, "als Ausgleich und natürlich um mich fit
zu halten. Am Wochenende gehe ich deshalb auch am liebsten tanzen".
Auch jetzt sitzt mir Tanja geschminkt und mit glitzernden Augen gegenüber.
Fast entschuldigend betont sie, sie habe heute Nacht nicht viel geschlafen,
weshalb ihre Augen ein wenig müde aussehen würden. Mir Laie
fällt das natürlich überhaupt nicht auf. "Augenringe
sind ein absolutes Tabu, da hilft dann nur noch viel Make-up."
Diesen Preis zahlt Tanja allerdings gern, denn dafür konnte sie
auch bei der "Miss Bayern 1-Wahl" im August letzten Jahres
dabei sein. Mit sechs weiteren Mädchen musste sie sich in drei
Runden 8000 Menschen im Privatoutfit, in Bademode und im Abendkleid
präsentieren, die dann den Publikumsliebling ermittelten. "Das
war wirklich aufregend, vor allem, weil alle anderen schlanker waren
als ich. Zum ersten mal ging es nicht mehr darum, eine bestimmte Firma
und deren Mode zu vertreten, sondern sich selbst darzustellen und nach
seinem Äußeren bewertet zu werden." Am Ende wurde Tanja
Zweite, das Publikum hatte sie sogar zeitweilig für Platz Eins
nominiert.
Die Frage, ob es ihr im Hinblick auf die vorgegebenen Maße, denen
ein Model entsprechen sollte, nicht ein wenig unangenehm sei, ihren
Körper vor so vielen Menschen zu zeigen, verneint sie entschieden.
"Dickere Frauen wollen die Kleider, die sie tragen, nicht an diesen
dürren Models sehen, sondern an Mädchen wie mir. Ich möchte
ihnen die Möglichkeit geben, sich nicht für ihren Körper
schämen zu müssen. Früher konnten die Klamotten nicht
weit genug sein, damit ich mich dahinter verstecken konnte. Ich war
wirklich eine graue, gar nicht selbstbewusste Maus, völlig unzufrieden
mit mir selbst. Heute bin ich stolz auf meinen Busen und meine weiblichen
Formen."
Problem: Klamotten
Dementsprechend kleidet sie sich auch: enge,
schwarze Hose und figurbetontes, schulterfreies Oberteil, "alles
von H & M, da kann ich mit Größe 44/46 zum Glück
noch einkaufen". In anderen Kleidergeschäften ist das jedoch
häufig nicht der Fall, da alles auf die dünne Bevölkerung
zugeschnitten ist, so dass Frauen wie Tanja Spezialläden aufsuchen
müssen. Dies ist weitgehend eine Kostenfrage. "Für einen
BH in meiner Größe zahle ich bis zu 100 Euro", erklärt
Tanja, die durch ihre Arbeit mit dem Leidwesen vieler Frauen vertraut
ist.
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