Nordbayerischer Kurier 2002
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"Ich bin stolz auf meine weiblichen Formen"

Weit entfernt von den Traummaßen 90-60-90 und dennoch auf dem Laufsteg erfolgreich
Von Hanna Haag

Jeder kennt sie, die schlanken Schönheiten der Modeszene. In sämtlichen Magazinen sind sie zahlreich vertreten und präsentieren mit ihren 100-Prozent-Körpern die neuen Kollektionen. Dabei müssen sie sich nicht selten in Kleider der Konfektionsgröße 34 hineinzwängen und auch -hungern. Eine tut das nicht: Tanja Bartsch (25), für die der "Catwalk" eine Selbstverständlichkeit ist - trotz molliger Figur.

Tanja Batsch beweist, dass auch beleibte Körper ästhetisch sind: In der Modewelt mögen jene Traummaße real sein, doch jenseits des Laufstegs sind sie eher selten. Nichts desto trotz beharrt die Modebranche auf ihren 90-60-90-Körpern, mit denen sie jungen Frauen ein Idealbild vorheuchelt. Denn ohne strenge Diät und ein enormes Maß an Disziplin könnten auch die Models diesem Ideal nicht entsprechen.
Tanja würde mit ihrem wohlgeformten Körper sicherlich nicht in die Kategorie "Supermodel" passen. Trotzdem arbeitet die 25-Jährige seit über vier Jahren für eine Dessous-Firma als Model. "Ulla" ist eines der Spezialgeschäfte das Unterwäsche bis zur Körbchengröße 85 h führt.

Spaß bei der Arbeit
Tanja entschloss sich ganz spontan dazu, ihre Modelkariere zu beginnen: "Bis vor zwei Jahren war ich noch als Apothekerin tätig. Nachdem mich die Geschäftsführerin 1998 als Kundenberaterin und Model engagierte, musste ich in meinem eigentlichen Beruf immer kürzer treten, bis ich ihn dann schließlich ganz aufgab. Das Modeln macht einfach mehr Spaß, schon als kleines Mädchen habe ich davon geträumt, auf dem Laufsteg zu stolzieren."
Inzwischen nimmt Tanja regelmäßig an Modeschauen in Berlin, Köln, Paris, Lyon und demnächst auch in Den-Haag teil. Mit der gesamten Kollektion in der Tasche reist sie von Ort zu Ort. "Ich habe allein eine Tasche nur mit Schuhen dabei, da kommt schon eine ganze Menge an Gepäck zusammen", ergänzt Tanja. Mit leuchtenden Augen erzählt sie von einem Aufenthalt in Berlin. "Der Tag begann sehr früh mit Augenbrauen zupfen, Beine rasieren, Fingernägel lackieren und natürlich schminken, denn man muss ja immer top aussehen. Danach ging es gleich an die Arbeit: Jede Stunde 20 Minuten Modeschau, dann 40 Minuten Pause und das von morgens bis abends. Als ich wieder ins Hotel kam, taten mir am meisten meine Beine weh, denn ich trage immer hohe Absätze, das lässt die Beine schlanker aussehen."

Sportlich, sportlich
Wer kann sich bei dieser Anstrengung noch vorstellen, dass Tanja nebenbei die Würzburger Kickers betreut und Süddeutsche Meisterin im Kajakfahren ist? Sport ist für sie ganz wichtig, "als Ausgleich und natürlich um mich fit zu halten. Am Wochenende gehe ich deshalb auch am liebsten tanzen". Auch jetzt sitzt mir Tanja geschminkt und mit glitzernden Augen gegenüber. Fast entschuldigend betont sie, sie habe heute Nacht nicht viel geschlafen, weshalb ihre Augen ein wenig müde aussehen würden. Mir Laie fällt das natürlich überhaupt nicht auf. "Augenringe sind ein absolutes Tabu, da hilft dann nur noch viel Make-up."
Diesen Preis zahlt Tanja allerdings gern, denn dafür konnte sie auch bei der "Miss Bayern 1-Wahl" im August letzten Jahres dabei sein. Mit sechs weiteren Mädchen musste sie sich in drei Runden 8000 Menschen im Privatoutfit, in Bademode und im Abendkleid präsentieren, die dann den Publikumsliebling ermittelten. "Das war wirklich aufregend, vor allem, weil alle anderen schlanker waren als ich. Zum ersten mal ging es nicht mehr darum, eine bestimmte Firma und deren Mode zu vertreten, sondern sich selbst darzustellen und nach seinem Äußeren bewertet zu werden." Am Ende wurde Tanja Zweite, das Publikum hatte sie sogar zeitweilig für Platz Eins nominiert.
Die Frage, ob es ihr im Hinblick auf die vorgegebenen Maße, denen ein Model entsprechen sollte, nicht ein wenig unangenehm sei, ihren Körper vor so vielen Menschen zu zeigen, verneint sie entschieden. "Dickere Frauen wollen die Kleider, die sie tragen, nicht an diesen dürren Models sehen, sondern an Mädchen wie mir. Ich möchte ihnen die Möglichkeit geben, sich nicht für ihren Körper schämen zu müssen. Früher konnten die Klamotten nicht weit genug sein, damit ich mich dahinter verstecken konnte. Ich war wirklich eine graue, gar nicht selbstbewusste Maus, völlig unzufrieden mit mir selbst. Heute bin ich stolz auf meinen Busen und meine weiblichen Formen."

Problem: Klamotten

Dementsprechend kleidet sie sich auch: enge, schwarze Hose und figurbetontes, schulterfreies Oberteil, "alles von H & M, da kann ich mit Größe 44/46 zum Glück noch einkaufen". In anderen Kleidergeschäften ist das jedoch häufig nicht der Fall, da alles auf die dünne Bevölkerung zugeschnitten ist, so dass Frauen wie Tanja Spezialläden aufsuchen müssen. Dies ist weitgehend eine Kostenfrage. "Für einen BH in meiner Größe zahle ich bis zu 100 Euro", erklärt Tanja, die durch ihre Arbeit mit dem Leidwesen vieler Frauen vertraut ist.

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